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Die Nürnberger Madonna, 2017

Installation mit 600 Madonna-Skulpturen auf dem Kornmarkt in Nürnberg

1. bis 17. September 2017 stellt Ottmar Hörl in Kooperation mit dem Germanischen Museum rund 600 goldene „Nürnberger Madonnen“ aus. Die dem Original respektvoll nachempfundenen Multiples werden den Kornmarkt in einen temporären Kunst-Schau-Platz verwandeln. Die Schirmherrschaft für das Projekt hat Staatsminister Dr. Markus Söder übernommen.

 

Die Nürnberger Madonna

Die historische Vorlage aus der Zeit um 1510 gilt als ein Hauptwerk Nürnberger Kunst aus der Dürerzeit. Die Figur aus Lindenholz ist weltberühmt und genoss seit dem 19. Jahrhundert eine fast kultische Verehrung. Ihr Schöpfer bleibt, trotz umfangreicher Forschungen, ein bislang namentlich unbekannter Nürnberger Bildschnitzer. Auch wenn die Nürnberger Madonna heute als einzigartig gilt, wurde sie nicht als singuläres Kunstwerk konzipiert. Sie ist Teil einer für die Nürnberger Dominikanerkirche gefertigten Kreuzigungsgruppe, die aus drei Figuren bestand: einem gekreuzigten Christus mit den Trauernden Johannes und Maria zu seinen Füßen.

 

Nachdem im April 1807 ein Teil des Seitenschiffs der Dominikanerkirche einstürzte, wurde das Kirchengebäude komplett abgerissen. Transportable Kunstwerke waren zuvor aus der baufällig gewordenen Anlage geborgen und in andere Nürnberger Kirchen und Gebäude gebracht worden. Die Madonna der Kreuzigungsgruppe kam als Modell für Kunststudenten in die Nürnberger Zeichenschule, die damals in Räumen auf der Kaiserburg untergebracht war. Seit 1880 befindet sie sich als Dauerleihgabe der Stadt Nürnberg im Germanischen Nationalmuseum. 

 

Geschichte des Nachruhms 

Die Nürnberger Madonna besticht durch ihre elegant geschwungene Körperhaltung und ihre jugendliche Ausstrahlung. Mit vor der Brust verschränkten Armen hat sie den Kopf leicht zur Seite geneigt und blickte einst in Richtung ihres toten Sohnes am Kreuz. Auch als Einzelfigur faszinierte sie vor allem im 19. Jahrhundert Kunstfreunde als Inbegriff einer anmutig und still trauernden Frau. In Abgüssen, Nachbildungen und grafischen Vervielfältigungen fand sie weite Verbreitung. Nachfolgend einige Beispiele:

Als einer der Ersten interessierte sich der Künstler Albert Christoph Reindel für die außergewöhnliche Marienfigur, die als „Nürnberger Madonna“ berühmt werden sollte. Reindel hatte 1811 die Leitung der Nürnberger Akademie übernommen. In dieser Funktion stellte er – dem Kunstgeschmack der damaligen Zeit entsprechend – eine Sammlung antiker Gipse zusammen, an denen sich junge Kunststudenten im Zeichnen schulen sollten. Bemerkenswert ist, dass sich Reindel neben der Antike auch für das deutsche Mittelalter begeisterte und nach entsprechenden Vorlagen suchte. So gelangten Beispiele aus ehemals Nürnberger Kirchen als Zeichen-Modelle auf die Kaiserburg. Zu ihnen gehörte die Nürnberger Madonna.

Reindel selbst fertigte 1828 einen Stich nach dieser Marienfigur an, der ein Jahr später in einem populären Frauentaschenbuch abgedruckt wurde, das touristische Nürnberger Sehenswürdigkeiten auflistete. Auch Reindels Schüler schufen Zeichnungen und Nachbildungen, wie beispielsweise Jakob Daniel Burgschmiet, der 1824 eine verkleinerte Version in Alabaster ausführte, die sich heute in den Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg befindet.

Anlässlich der Enthüllung des Nürnberger Dürer-Denkmals 1840 realisierte der Albrecht-Dürer-Verein eine viel beachtete Ausstellung, die bedeutende Kunstwerke der Dürerzeit zusammenführte. Damals fiel den Besuchern eine Kopie nach einer Nürnberger Maria von Bernhard Afinger auf. Daniel Rauch, einen Berliner Bildhauer, überzeugte die Qualität. Er nahm Afinger als Mitarbeiter in sein Atelier auf. Fortan konnten Nachbildungen der Nürnberger Madonna auch im Berliner Handel erworben werden.

Auch die Nachfrage nach dem Original als Leihgabe für Ausstellungen nahm zu. Die Nürnberger Madonna verkörperte wie kaum ein anderes Werk die romantisch-verklärte Vorstellung von einer mittelalterlich-deutschen Kunst. Neben Figuren wie dem Bamberger Reiter und der Uta vom Naumburger Dom reihte sich die Nürnberger Madonna ein in den Kanon des bürgerlichen Bildungsguts, der in Kleinskulpturen Aufstellung in privaten Wohn- und Repräsentationsräumen fand. Auch im Arbeitszimmer von Wilhelm Grimm stand eine Nürnberger Madonna, wie ein Aquarell von Hoffmann belegt.

Das Original wurde 1880 dem Germanischen Museum übergeben und dort dauerhaft aufgestellt, es findet Erwähnung in den Museumsführern und bei Rundgängen. Wohl in dieser Zeit wird aus einer Nürnberger Madonna die Nürnberger Madonna.

Während der Inflationszeit war sie auf den Zahlmarken der Nürnberger Straßenbahn zu sehen. Und 1923 erschien bei Reclam eine Novelle, die von einem Privatgelehrten handelt, der durch „Seelenwanderung“ dem Bildschnitzer der Nürnberger Madonna begegnet. Im Folgenden erzählt ihm dieser die – rein fiktive – Entstehungsgeschichte der Holzfigur. Im Jahr 1952 zierte der Kopf der Nürnberger Madonna eine Sonderbriefmarke. Auch solche populären Erzeugnisse trugen zu Bekanntheit und Nachruhm der Marienfigur bei. Mehr bei Matthias Mende: Die Nürnberger Madonna, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Nürnberg 1969, S. 445–490.

(Text stammt aus einer Pressemitteilung des Germanischen Nationalmuseum Nürnberg)

 

zur Website des Germanischen Nationalmuseum

Fotos: Jürgen Schabel, Eva Schickler

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